
Die erste eigene Wohnung – davon träumt jeder junge Mensch der nach einem Streit mit seinen Eltern im Kinderzimmer sitzt. Weil mal wieder die Tube Clearasil im Bad ausgelaufen ist oder weil die Teenager „keine Lust Mentalität“ dem Vater und die Mutter ausrasten lässt. Naja gute Gründe eine eigene Wohnung zu haben gibt es viele. Ob man sich nun erwachsen fühlt und auf eigenen Beinen stehen will, oder weil man es satt hat das ständig jemand ins Zimmer hinein stürmt – wenn man mal wieder „Nichts im Internet“ anschaut.
Auf eigenen Beinen stehen – Und die Schritte zum Spießertum
Jeder junge Mensch denkt, das die erste eigene Wohnung viel Spaß und endlose Entspannung bedeutet. Am frühen Morgen wenn die Sonne aufgeht und die Hühner im Frühstücksfernsehen brüllen. Lässt man die Gardinen zugezogen und schläft ruhig weiter. Und das mit der Gewissheit, das keine nervenden Eltern die Tür eintreten und die Fenster, zum Lüften, aufreißen. Kein jüngeres Geschwisterlein stellt einem im müden und tranigen Zustand unaufhörlich Fragen! Das beste aber ist das man in der eigenen Wohnung soviel schlechte Laune haben kann wie man will. Es gibt ja keinen den man anzicken kann – also kommt es auch nicht zum Streit. Die einzigen Gefühle um die man sich kümmern muss, sind die eigenen!

Die Freiheiten der ersten Wohnung – Die Füße unter den eigenen Tisch stellen
Es ist ganz klar, dass man in seiner ersten Wohnung all die Freiheiten ausleben, die man damals unter dem knirschenden Tisch der Eltern nicht hatte. Darum werden sofort, und zwar noch bevor alle Kisten ausgepackt sind, sämtliche Freunde angerufen. Es ist Party-Time! Die erst aufhört wenn der letzte eingeschlafen oder sich besoffen verlaufen hat. Die Stereoanlage wird aufgedreht und in der ganzen Nachbarschaft kann man die Druckwellen der Bässe sehen.

Bloß nicht so spießig wie die Eltern werden! Oder doch?
Natürlich will man selber nicht so spießig seine wie die eigenen Eltern und darum erlaubt man jedem noch so angetrunkenen Kumpel im Wohnzimmer zu rauchen. Erst verglühen die ersten zehn Zigaretten, dann die ersten drei Jubel-Zigarren, dann der erste Joint und am Ende liegen auf jedem Teller und auf weiten Teilen des Bodens Zigarettenstummel. Selbst die Topfpflanze, die man zum Anlass des Auszuges geschenkt bekommen hat – hustet unter all dem Qualm und der Tatsache das die Blumenerde bereits zur Hälfte aus Asche besteht. Mit wachen und etwas Geduld kann man sogar zusehen wie die Wohnung zunehmend vergilbt.

Nach der Pary – Die eigene Wohnung bedeutet vielleicht doch nicht soviel Freiheit
Bei den meisten von uns kam wohl die erste Erkenntnis, das die erste eigene Wohnung doch nicht soviel Freiheit bedeutet, nach der Einweihungsparty. Da sieht man dann – mit geröteten Augen – was für ein Chaos entsteht wenn man völlig frei von Regeln und Verboten lebt. Beziehungsweise, keine Mama die zum aufräumen da ist. Und gleich darauf beginnt es im brummenden Schädel „klick“ zu machen und die innere Einstellung dritt ein Schritt in Richtung Spießertum.
Von da an darf keiner mehr seine Zigaretten ausdrücken wo er will. An den Kühlschrank kommt ein Schloss, um es vor plündernden Freunden zu schützen und jeder der auf Toilette einen Tropfen daneben fallen lässt, bekommt einen Eimer voll Meister Proper in die Hand gedrückt. Na ein paar Tagen dann steht man vor seinen Kumpels und spricht den Spruch, der von Generation zu Generation weitergegeben wird, aus. „Werd endlich erwachsen!“ – jener Spruch welcher erst Sinn ergibt, wenn man auf eigenen Beinen steht.

Nach einer Woche in der eigenen Wohnung – Würstchen aus dem Wasserkocher
Wenn die erste Woche in der eigenen Wohnung vergangen ist – ernähren sich die meisten jungen Menschen nur noch aus den Resten der herumliegenden Chips-Tüten und aus Würstchen mit Senf, die im Wasserkocher erhitzt werden. Schließlich hat man sein Startgeld bereits während der Einweihungsparty für Alkohol und Salzstangen ausgegeben. Auch die leckeren Essensversorgungspakete – die die Mutter in Tupperwaren verpackt – über dem Haus abwirft, kommen immer seltener. Und wieder kräht die Erkenntnis auf dem Dach und das innere „Ich“ macht den nächsten Schritt zum Spießer. Nie wieder will man sein Geld zum Fenster heraus werfen – sondern Sparen und es für das Nötigste ausgeben.

Einkaufen gehen und echtes Essen kaufen
So will man dann, mit Plastiktüten in den Händen, erforschen was es mit den Geschäften auf sich hat – wo man früher immer Bier, Cola und Computerspiele gekauft hat. Nach kurzer Beobachtung wird dann klar, das die vielen Einkaufswägen vor dem Eingang, nicht der Parkplatz für die Obdachlosen ist! Nein, ganz im Gegenteil – man muss sie vor sich herschieben und darf alle Lebensmittel hineinlegen, worauf der knurrende Magen Lust hat.
Leider ist in so einem Portmonee eines Jugendliche, der bestenfalls sein schmales Lehrlingsgeld, zum einkaufen verwenden kann, nicht viel drin. Und so gibt es billige Tiefkühlpizza (Drei Pizzas für 1,50 €) und Pommes (1 kg für 65 Cent) – jeden Tag als Hauptmahlzeit. Ja, als junger Mensch kann man sich nicht viel leisten! Wenn in der Wohnung nur das nötigste zum Leben ist und die Wäsche jedes mal zur Mutter gebracht werden muss – weil die eine Waschmaschine besitzt. Dann weiß man das man knausern muss mit seinem Geld und das war dann auch schon der dritte Schritt zum Spießer.

Auf eigenen Beinen stehen – Willkommen im Spießertum mein Sohn!
Ihr seht schon wohin sich mein Text bewegt. Egal mit wie vielen leichtbeschwingten jugendlichen Idealen man seinen Weg – des auf eigenen Beinen stehen – beginnt. Es werden Situationen kommen aus denen man lernt! Und so wandelt man sich Stück für Stück, vom freiheitsliebenden Rebellen zum Coupon sammelnden Erwachsenen. Dabei wollte man niemals so eingeschränkt leben wie die eigenen Eltern. Doch nachdem die Oma´s und Opa´s die Jungend-Geschichten der Eltern auspacken – wird einem klar das auch sie diese Entwicklung zum Spießer durchgemacht haben. Das macht wohl jeder Mensch durch. Sogar harte Typen wie Lemmy Kilmister waschen Teller ab. Und nachdem Ozzy Osbourne Fledermäusen den Kopf abbeißt, poliert er ganz freiwilligen den Fußboden zur Großen Hausordnung.